Baubranche 2023: Zwischen Krisenmanagement und Aufbruch
Am Ende und zu Beginn eines Jahres sind Rückblicke nicht nur im abendlichen Fernsehprogramm eine feste Institution. Sie sollen Vergangenes abbilden, ohne allzu kritisch zu hinterfragen und mögliche Entwicklungen aufzuzeigen. Was bei Markus Lanz und Kollegen funktionieren mag, ist bei komplexen Themen wie einem Rückblick auf die Baubranche im Jahr 2023 keine wirklich zielführende Idee.
Denn 2023 war für die Baubranche ein Jahr voller Herausforderungen und sich abzeichnender Chancen, das sich nicht isoliert betrachten lässt. Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs und die Corona-Nachwehen, gepaart mit einer hohen Inflation, haben zu einer generellen Abschwächung der Baukonjunktur 2023 geführt und das deutsche Baugewerbe unter Druck gesetzt. Gleichzeitig sind neue Wohnungen nötiger denn je und die Baubranche ist ein entscheidender Pfeiler der Energie- und Heizwende.
Zeit für eine aktuelle Bestandsaufnahme der Baubranche zum Start des neuen Jahres. Welche Herausforderungen und Trends waren 2023 für die Baubranche wirklich maßgeblich? Und welche Chancen, aber auch Risiken ergeben sich für 2024?
Das Wichtigste in Kürze
- Inflation, Materialknappheit und Fachkräftemangel: Die Baubranche in Deutschland stand 2023 vor enormen Herausforderungen.
- Chancen statt Krise: Digitalisierung und nachhaltiges Bauen erleichtern die Anpassung an ein verändertes Marktumfeld.
- Staatliche Förderprogramme sollen helfen, die Baukonjunktur zu beleben.
Wie sah die Entwicklung in der Baubranche 2023 aus?
Abseits der teils erhitzt geführten Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz und den daraus resultierenden Folgen für Baugewerbe und Verbraucher konnte man es fast vergessen: Es wurde auch 2023 in Deutschland ganz geräuschlos gebaut.
Allerdings haben Faktoren, die ihren Ursprung bereits 2022 als Folge des Ukraine-Kriegs und der Pandemie hatten, zur deutlichen Eintrübung der Baukonjunktur 2023 geführt. Ein Hindernis waren dabei vor allem die steigenden Materialkosten und Lieferengpässe, die teilweise durch globale Lieferkettenprobleme verursacht wurden. Eine Prognose für die Entwicklung der Baukosten 2023 war im Großen und Ganzen nicht vollständig absehbar.
Die gestiegenen Kosten hatten eine direkte Folge: Zunehmend leere Auftragsbücher und sinkende Beschäftigungszahlen. Das lässt sich beispielsweise aus den kontinuierlich erhobenen Daten des Statistischen Bundesamtes zu erteilten Baugenehmigungen für Wohnungen ablesen. So wurden je Monat im Schnitt 30 % weniger Genehmigungen erteilt als im Vorjahreszeitraum – ein Indiz für die abgeschwächte Baukonjunktur.
Digitalisierung als Antwort?
Eine Krise lässt sich auch immer als Chance betrachten, die zur Entwicklung neuer Lösungsansätze und Innovationen führen kann. So hat beispielsweise der zunehmende Kostendruck die Digitalisierung der Baubranche nochmals beschleunigt.
Mit fortschrittlichen Technologien wie Building Information Modeling (BIM), Drohnenvermessung und künstlicher Intelligenz wird der Bauprozess effizienter und präziser. Die Technologien ermöglichen eine verbesserte Planung, Überwachung und Verwaltung von Bauprojekten.
Welche Unterschiede gab es 2023 zwischen Wohnungsbau, Wirtschaftsbau und öffentlichen Bauvorhaben?
Im Jahr 2023 zeigten sich deutliche Unterschiede in den Segmenten Wohnungsbau, Wirtschaftsbau und öffentlichen Bauvorhaben, die wesentlich die Dynamik der gesamten Baubranche prägten.
Wohnungsbau
Beim Wohnungsbau lag der Fokus stark auf der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, um dem steigenden Bedarf in städtischen Gebieten gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund neuer gesetzlicher Vorgaben zeichneten sich neue Wohnprojekte vor allem durch eine Kombination aus hoher Energieeffizienz und nachhaltigen Bauweisen aus.
Die Herausforderung bestand hier vor allem in der Beschaffung von Baugrundstücken und in steigenden Materialkosten, was zu einem Balanceakt zwischen Kosten, Qualität und Schnelligkeit der Bauprojekte führte – der zunehmend schwieriger gelingt.
Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, lag 2023 in weiter Ferne – es werden wohl nur knapp 245.000.
Wirtschaftsbau
Im Bereich des Wirtschaftsbaus, also bei Gebäuden für Gewerbe und Industrie, gab es 2023 eine Verschiebung hin zu spezialisierten Projekten. Der Bau von Logistikzentren und Datenzentren florierte, getrieben durch die anhaltende Digitalisierung und den E-Commerce-Trend.
Im Gegensatz dazu erlebte der Bau von Büroflächen und Einzelhandelsgeschäften eine Verlangsamung, da sich Arbeits- und Konsumgewohnheiten verändert haben und mehr Flexibilität erfordern. All das führte zu einem Anstieg von Umbauten und Renovierungen bestehender Strukturen anstelle neuer Bauprojekte.
Insgesamt hat sich aber auch im Wirtschaftsbau die Baukonjunktur eingetrübt. Er erreichte 2023 einen Umsatz von ca. 59,6 Mrd. Euro, was real einem Rückgang um 2 Prozent gegenüber 2022 entspricht.
Öffentlicher Bau
Die öffentlichen Bauvorhaben des Jahres 2023 in Deutschland zeichneten sich nicht nur durch ihre Größenordnung und Bedeutung für die Infrastrukturentwicklung aus, sondern auch durch ein gesteigertes Bewusstsein für ökologische und soziale Aspekte.
Die umfangreichen Investitionen in Verkehrswege, Bildungseinrichtungen und Gesundheitsinfrastruktur spiegelten eine tiefgreifende Verpflichtung zu einer nachhaltigeren und inklusiveren Zukunft wider.
Doch trotz ambitionierter Infrastrukturprojekte und angekündigter Investitionen: Insgesamt generierte der Öffentliche Bau 2023 rund 44 Mrd. Euro, was einem realen Rückgang um 2 Prozent entspricht.
Krise in der Baubranche? Und wenn ja, hilft die Bundesregierung?
Krise ist immer eine Frage der Perspektive. Im Jahr 2023 stand die Baubranche in Deutschland vor signifikanten Herausforderungen, die manche als Krise bezeichnen würden. Die Situation war geprägt von einer Reihe von Faktoren, darunter steigende Materialkosten, Lieferengpässe, Arbeitskräftemangel und regulatorische Hürden. Die Folgen lassen und ließen sich in den Umsatzprognosen ablesen.
In dieser Situation hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Baubranche zu unterstützen. Dazu gehören finanzielle Hilfen und Förderprogramme, die darauf abzielen, die finanzielle Belastung der Unternehmen zu mindern.
Welche Maßnahmen sind konkret geplant?
Die Bundesregierung hat 2023 ein Maßnahmenpaket beschlossen, um die Bau- und Immobilienbranche in Deutschland zu unterstützen. Dazu gehört die Anhebung der Einkommensgrenze für die Wohneigentumsförderung für Familien von 60.000 auf 90.000 Euro pro Jahr, um mehr Familien den Zugang zu zinsvergünstigten Darlehen zu ermöglichen.
Weitere Unterstützung bietet ein 750 Millionen Euro schweres Förderprogramm für den klimafreundlichen Neubau. Zudem wird die Umwandlung von leerstehenden Gewerbeimmobilien in Wohnraum mit einem KfW-Förderprogramm unterstützt.
Für die Städtebauförderung stehen im Jahr 2023 insgesamt 790 Millionen Euro zur Verfügung, die unter anderem die Stärkung der Innenstädte und sozial benachteiligter Quartiere zum Ziel haben.
Krise als Dauerzustand? Zukunftsaussichten in der Baubranche
Bestandsaufnahmen am Ende eines Jahres sind wichtig. Sie bringen aber nur dann weiter, wenn man daraus künftige Trends abliest und Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft entwickelt.
Die Baubranche in Deutschland stand 2023 an einem Wendepunkt: Sie sah sich mit Herausforderungen wie Materialmangel, steigenden Kosten und Fachkräftemangel konfrontiert, die sie künftig in eine fortgesetzte Krise stürzen könnten.
Gleichzeitig eröffnen sich durch Digitalisierung, neue Technologien und den Trend zu nachhaltigem Bauen Chancen für einen Aufbruch. Softwarelösungen wie Trimble Nova verändern die Konzeption und Umsetzung komplexer Bauprojekte und erleichtern die Anpassung an herausfordernde Marktbedingungen durch eine deutlich gesteigerte Baueffizienz.
Und Wohnraum wird ähnlich dringend gebraucht wie Investitionen in die öffentliche Infrastruktur – die grundsätzliche Nachfrage ist also vorhanden. Aktuell schlägt sie sich allerdings vor dem Hintergrund der verschiedenen Problemfelder nicht in den Auftragsbüchern nieder. Die Baukonjunkturaussichten für 2024 sind dementsprechend mit einem erwarteten Umsatzrückgang von 3% nicht allzu vielversprechend – weitere Maßnahmen werden also wohl definitiv notwendig.
2024 bietet neben Herausforderungen auch viele Chancen
Trotz der beschriebenen Krisen und Probleme für die Baubranche im Jahr 2023: Man soll einen Rückblick nicht mit apokalyptischen Aussichten schließen.
Denn auch wenn die Herausforderungen unübersehbar sind und direkte Auswirkungen auf die Durchführung und Wirtschaftlichkeit von Bauprojekten haben, eröffnen sich 2024 Chancen. Die zunehmende Digitalisierung kann die Effizienz weiter steigern und Projekte damit deutlich kostengünstiger und schneller realisierbar machen. Die Integration von fortschrittlichen Technologien wie Trimble Connect bietet das Potenzial, die Branche zukunftsfähig zu gestalten.
Auch in der konkreten Baustellenpraxis können digitale Tools wie Viewpoint for Projects zusätzliche Synergien schaffen und ein deutlich effizienteres Baumanagement ermöglichen.
Insgesamt steht die Baubranche 2024 in Deutschland vor der Möglichkeit, die Krise als Katalysator für einen grundlegenden Wandel zu nutzen. Die Anpassungsfähigkeit der Branche, die Akzeptanz neuer Technologien und Bauweisen sowie die fortgesetzte Unterstützung durch politische und wirtschaftliche Akteure werden künftig darüber entscheiden, ob die aktuellen Herausforderungen zu einem dauerhaften Krisenzustand führen oder den Weg für Innovation und nachhaltiges Wachstum ebnen.