Wie Computational Design die Baubranche verändert
Computational Design oder data-driven Design wird in der Architektur schon lange eingesetzt. Doch auch bei Ingenieuren rückt dieser parametrische Designansatz zunehmend in den Fokus. Während Architekten die parametrische Modellierung nutzen, um komplexe geometrische Formen in den Entwürfen darstellen zu können, kann ein Ingenieur mit diesem Ansatz vielleicht einen weitaus größeren Nutzen für Kunden erzielen, weil Ressourcen wie Zeit und Geld anderweitig eingesetzt werden können.
Was ist Computational Design?
Computational Design wird die Baubranche in Zukunft stark verändern. Der computergestützte Entwurfsansatz nutzt eine Kombination aus Algorithmen und Parametern, um Herausforderungen im Entwurfsprozess zu lösen. So können beispielsweise die Modellierung von wiederkehrenden Elementen automatisiert und komplexe Geometrien leichter abgebildet werden. Softwareprogramme und Plug-Ins verwenden diese Informationen zusammen mit projektspezifischen Parametern, um Algorithmen zu erstellen, die Entwurfsmodelle generieren oder auch gesamte Berechnungen durchführen. Sobald die anfängliche Programmierung abgeschlossen ist, wird der Entwurf zu einem dynamischen und wiederholbaren Prozess, der dann immer wieder verwendet werden kann.
Die manuelle Konstruktion, so wie sie bisher gängig ist, schränkt die Anzahl der Entwurfsoptionen ein und kostet zudem viel Zeit und Ressourcen. Nach der Implementierung von Computational Design können diese Ressourcen anderweitig eingesetzt werden. Obwohl jedes Bauwerk einzigartig ist, sind die Prozesse dahinter, insbesondere der Tragwerksplanung, oft dieselben und deshalb bestens geeignet für die Automation. Auch der Tiefbau kann von Computational Design profitieren. Hier müssen oft strukturell komplexe Bauwerke wie Brücken und Tunnel modelliert werden, bei denen man mit manueller Modellierung schnell an Grenzen stößt.
In der Praxis unterscheidet man unter drei verschiedenen Arten von Computational Design:
- Beim parametrischen Design werden Parameter und Regeln verwendet, um eine Entwurfslösung zu erstellen, die sich leicht adaptieren lässt.
- Beim generativen Design werden Algorithmen verwendet, um eine Reihe von Entwurfsoptionen zu generieren, die dann bewertet werden können.
- Algorithmisches Design verwendet Algorithmen zur Erstellung eines Entwurfsmodells.
Das größte Potenzial von Computational Design liegt wohl in der Tragwerksplanung: Ingenieure verbringen viel Zeit mit der Überprüfung der statischen Anforderungen oder der Bestimmung der Variablen für den optimalen Entwurf. Ein parametrischer Ansatz kann hier viel Zeit sparen.
Zur Umsetzung dieses Ansatzes werden Plug-Ins für Computational Design verwendet, wie Grasshopper oder Dynamo. Mit diesen algorithmischen Modellierungstools können Nutzer über die knotenbasierte Schnittstelle Entwurfsregeln erstellen.
Welche Vorteile hat Computational Design?
Automatisierung von wiederkehrenden Arbeitsschritten
Viele Gebäude sind im Grunde gleich aufgebaut. Sie bestehen aus einer Vielzahl von identischen Stahlbauteilen wie Trägern, Stützen oder Platten. Bei der Modellierung müsste jedes dieser identischen Bauteile einzeln in das Modell eingefügt werden. Dieser Arbeitsschritt kann mit Computational Design automatisiert werden, was selbst bei einem einzigen Bauteil viel Ressourcen spart.
Mehr und bessere Entwürfe/mehr Möglichkeiten
Richtig angewandt, kann die parametrische Modellierung die Geometrieerstellung für strukturell komplexe Gebäude ermöglichen, die manuell schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu modellieren und zu analysieren sind.
Verbesserte Produktivität
Bei einem manuellen Arbeitsablauf ist die Ermittlung des effizientesten Entwurfs normalerweise ein unglaublich zeitaufwändiger Prozess, bei dem das Planungsteam jede Variable manuell ändern, eine Analyse durchführen, die Ergebnisse notieren und dann um ein Vielfaches wiederholen muss. Durch die Integration der parametrischen Konstruktion in Ihren Arbeitsablauf wird dieser Prozess jedoch automatisiert.
Risiken und Fehlerquellen minimieren
Änderungen in letzter Minute sind bei komplexen Bauprojekten oft schwierig umzusetzen und wirken sich oft auf andere Bauteile aus, die dann auch überarbeitet werden müssen. Die Anpassung der Pläne wird dadurch zu einem komplizierten, langwierigen Unterfangen.
Bei der parametrischen Planung sind alle Parameter miteinander verbunden und die Datenbeziehungen werden beibehalten. Bei Änderungen an einem Parameter passen sich alle zugehörigen Objekte automatisch an. Das spart wertvolle Zeit und minimiert Fehlerquellen.
Kosten sparen
Die Ansprüche von Kunden sind in den letzten Jahren gestiegen. Sie wollen möglichst effiziente Gebäude mit niedrigem CO2-Fußabdruck bei geringen Materialkosten und in Rekordzeit. Computational Design spart nicht nur Arbeitszeit, sondern auch Geld, weil Materialmengen genauer bestimmt werden können.
Grasshopper-Integration in Tekla
Bestehende CAD-Tools wie Tekla Structures sind inhärent parametrisch. Änderungen im Modell werden automatisch auch für Pläne und 2D-Zeichnungen übernommen. Doch die Integration des Grasshopper-Plug-ins von Rhino kann diese Funktionalität auf die nächste Stufe heben. Sie ermöglicht eine effiziente Datenübertragung und bleibt während des ganzen Prozesses verbunden. Anwender können in Grasshopper native Tekla-Objekte in Echtzeit erstellen oder bearbeiten und Informationen aus dem Tekla-Modell ableiten, zum Beispiel zu Attributen oder der Platzierung von Objekten.
Die Voraussetzung dafür sind aber qualitativ hochwertige Daten in jedem Schritt des Bauprozesses – vom Architekten bis zum Bauingenieur. Nur wenn alle Daten das gleiche Maß an Qualität und Genauigkeit haben, profitieren alle Beteiligten vom höheren Maß an Integration, das die parametrische Zusammenarbeit grundsätzlich ermöglicht.
Wie Computational Design in der Praxis Arbeitsabläufe beschleunigen kann, zeigt ein Bauprojekt in London. Hier geht's zum Artikel.
Die ungekürzte Version dieses Artikels erschien im Magazin Bauprodukte digital von Ernst & Sohn (Ausgabe 2023).